Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor allem im Osten Deutschlands abnehmen – trotz Zuwanderung. Zum Jahresende 2022 lebten 51,4 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren in Deutschland, davon 7,2 Millionen in den ostdeutschen Ländern. In den nächsten 20 Jahren wird deren Zahl in Ostdeutschland um mindestens 560 000 (-8 %) bis 1,2 Millionen Menschen (-16 %) zurückgehen.
Bis zum Jahr 2070 ist hier mit einem Rückgang um mindestens 830 000 Menschen und maximal um 2,1 Millionen Personen in dieser Altersgruppe zu rechnen. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung anlässlich des Tages der Deutschen Einheit mit. Wie stark der Rückgang tatsächlich ausfällt, hängt vor allem vom künftigen Ausmaß der Zuwanderung aus dem Ausland ab.
In Westdeutschland könnte die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bei weiterhin hoher Zuwanderung bis 2043 relativ gesehen nur leicht sinken – um 680 000 Personen (-2 %). Bei geringer Zuwanderung würde sie um 4,7 Millionen Menschen (-11 %) zurückgehen. In Berlin ist bei hoher Zuwanderung in den nächsten 20 Jahren eine Zunahme um bis zu 14 % von knapp 2,4 Millionen auf 2,75 Millionen 18- bis 64-Jährige möglich, bei niedriger Zuwanderung ein leichter Rückgang um 1 %.
Ein Grund für die unterschiedliche Entwicklung sind regionale Unterschiede in der Altersstruktur der Bevölkerung. „Die gegenwärtige Altersstruktur in Ostdeutschland ist noch immer durch den Geburteneinbruch nach der Deutschen Vereinigung und die verhältnismäßig starke Abwanderung der letzten Jahrzehnte geprägt“, erklärt Bettina Sommer, Expertin für Bevölkerungsentwicklung im Statistischen Bundesamt. „Selbst bei vergleichsweise hoher Zuwanderung, wie wir sie aktuell beobachten, können die damit verbundenen Verluste im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Bevölkerung im Erwerbsalter nicht kompensiert werden.“
Der Zuwanderung kommt mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung auch deshalb in Ost und West eine ähnlich große Rolle zu, weil länderübergreifend mehr Menschen sterben als geboren werden. Die Geburtenraten haben sich angeglichen und sind in Ostdeutschland (1,43 Kinder je Frau im Jahr 2022) derzeit geringfügig niedriger als in Westdeutschland (1,48 Kinder je Frau).
Seit 2017 ziehen mehr Menschen aus dem Westen in den Osten als umgekehrt
Die Abwanderung aus den ostdeutschen Bundesländern gen Westen hat neben dem Rückgang der Geburten und der im Vergleich zu den westdeutschen Ländern geringeren Zuwanderung aus dem Ausland nach 1991 jahrelang zu einem Schrumpfen sowie zur Alterung der Bevölkerung in Ostdeutschland beigetragen. In den letzten Jahren ist jedoch bei innerdeutschen Umzügen eine Veränderung zu beobachten. So ziehen seit 2017 durchgängig mehr Menschen von Westdeutschland in die ostdeutschen Länder als umgekehrt – und zwar überwiegend Personen im Erwerbsalter. Im Jahr 2022 waren 77 % der aus dem Westen in den Osten Zugezogenen zwischen 18 und 64 Jahre alt, 33 % waren zwischen 18 und 29 Jahre alt.
Zuwanderung aus dem Ausland erfolgt größtenteils in westdeutsche Bundesländer
Der geringe Bevölkerungsverlust im Westen Deutschlands durch die Abwanderung gen Osten wird allerdings durch die Zuwanderung aus dem Ausland mehr als kompensiert. Diese erfolgt nach wie vor größtenteils in die westdeutschen Länder.
Von 1991 bis 2022 ist die Bevölkerung in Ostdeutschland (ohne Berlin) durch Zuwanderung aus dem Ausland über alle Altersgruppen hinweg um rund 1,2 Millionen Menschen gewachsen. Die Nettozuwanderung aus dem Ausland in die westdeutschen Länder war im selben Zeitraum mit knapp 8,9 Millionen Menschen rund acht Mal so groß. Nach Berlin betrug sie 0,7 Millionen Menschen.
Der Anteil der ausländischen Bevölkerung ist im Osten deutlich kleiner als im Westen. In den ostdeutschen Ländern stellten ausländische Staatsangehörige Ende 2022 gut 7 % (910 000) der Bevölkerung, in den westdeutschen knapp 16 % (10,6 Millionen).
Zahl der 18- bis 64-Jährigen in Ostdeutschland in den letzten fünf Jahren um 3 % gesunken
Die schneller vorangeschrittene Alterung in Ostdeutschland seit 1991 ist eine Ursache für den künftig zu erwartenden Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter. Auch in den letzten fünf Jahren hat sich diese Entwicklung gezeigt: Von 2017 bis 2022 ging die Zahl der 18- bis 64-Jährigen in den ostdeutschen Ländern um gut 3 % auf 7,2 Millionen zurück.
Dagegen nahm die Zahl der Menschen in der Altersgruppe 65plus um knapp 6 % auf 3,4 Millionen zu. In den westdeutschen Bundesländern blieb die Zahl der Menschen im Erwerbsalter dagegen im selben Zeitraum nahezu gleich. In Berlin wuchs sie um gut 3 % auf 2,4 Millionen.
Bevölkerung nahm in Ostdeutschland in den letzten fünf Jahren allein in Großstädten zu, in Westdeutschland auch in kleineren Städten und auf dem Land
Abgesehen vom durch den Zuzug aus der Ukraine geprägten Ausnahmejahr 2022 war die Bevölkerung in den ostdeutschen Bundesländern seit 2017 weiter rückläufig, während sie in Westdeutschland leicht wuchs. Ausnahmen bilden hier die Großstädte. In den ostdeutschen Großstädten wuchs die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner von 2017 bis 2022 um 2,6 % – und damit stärker als in westdeutschen Großstädten (+1,8 %). In mittleren und kleinen Städten sowie in Landgemeinden ging sie im selben Zeitraum allerdings eher zurück.
Dass es vor allem jüngere Menschen in die Großstädte zieht, macht sich bei der Entwicklung des Durchschnittsalters bemerkbar. Während dieses von 2017 bis 2022 in den Großstädten in Ost und West gleichermaßen eher stabil blieb, stieg es in mittleren und kleineren Städten sowie auf dem Land an. Insgesamt ist das Durchschnittsalter in Ostdeutschland mit 47,2 Jahren im Jahr 2022 allerdings höher als in den westdeutschen Bundesländern (44,2 Jahre) und in Berlin (42,4 Jahre). (PM Statistisches Bundesamt | Destatis)