In der konstituierenden Sitzung des Stadtrates wurde heute der neue Vorsitz gewählt. Doch so ganz einig waren sich die neuen Stadträte wohl nicht. Zuvor war der Vorstand mit dem Vorsitzenden Prof. Alexander Pott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), dem ersten stellvertretenen Vorsitzenden Dr. Norman Belas (SPD) und der zweiten stellvertretenen Vorsitzenden Anke Jäger (Die Linke) besetzt. Die neuen Stadträte lassen bereits mit der heutigen Sitzung erste Spekulationen für die künftige Arbeit mit- und gegeneinander erahnen.
Die Wahl des Vorsitzenden und seine Stellvertreter
Bereits die Wahl des Sitzungsleiters (älteste Mitglied im Stadtrat) war erst mit Nummer vier, Bernd Heynemann (CDU) erfolgreich, da die drei Ältesten das Amt zuvor aus verschiedenen Gründen ablehnten. Bevor die Wahl des Vorsitz endlich losging, wurden vom Sitzungsleiter die entsprechenden Gesetzestexte des Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Wahldurchführung vorgelesen.
Für die Wahl zum Vorsitzenden des Magdeburger Stadtrat wurde lediglich Wigbert Schwenke von der CDU vorgeschlagen, um so erstaunlicher war es, dass dieser von den 54 Stimmberechtigten lediglich 26 Ja-Stimmen erhielt. Mit 23 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen, erreichte er somit nicht die Mehrheit und verlor die Wahl. Geht man nun nach den zuvor verlesenden Gesetzestext aus § 56 Abs. 4 KVG LSA, endet die Wahl mit einer Nichtwahl des Stadtrates Schwenke und keine Möglichkeit auf einen zweiten Wahldurchgang.
§ 56 Abs. 4 KVG LSA
(4) Gewählt ist die Person, die im ersten Wahlgang die Stimmen der Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder erhalten hat. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Im zweiten Wahlgang ist die Person gewählt, die die meisten Stimmen erhalten hat. Ergibt sich im zweiten Wahlgang Stimmengleichheit, so entscheidet das Los, das der Vorsitzende zieht. Soweit im ersten Wahlgang nur eine Person zur Wahl stand und diese Person die erforderliche Mehrheit nicht erreicht hat, finden die Sätze 2 bis 4 keine Anwendung.
Nach dieser Niederlage für Herrn Schwenke, rief der Sitzungsleiter dennoch zu einen zweiten Wahldurchgang auf und erkundigte sich nach Vorschlägen. Vom Stadtrat Roland Zander (Gartenpartei) wurde daraufhin Manuel Rupsch von der CDU vorgeschlagen, während Tim Rohne (Vorsitzender der Stadtratsfraktion CDU/FDP) nochmals Wigbert Schwenke vorschlägt. Als die Rechtsamtsleitung auf Anfrage des Sitzungsleiters mitteilte, dass der Stadtrat Schwenke nach dem gescheiterten ersten Wahlgang nicht mehr zugelassen sei, wurde zu einer von vielen folgenden Sitzungspausen aufgerufen.
Nach der Pause erläuterte die Rechtsamtsleiterin Alexandra Kuhle nochmal die gültige Gesetzgebung des §56 KVG LSA und zitierte dazu aus den dazugehörigen Kommentaren, dass bei einer gescheiterten Wahl, wie in diesem Fall vorliegend, die konstituierende Sitzung beendet ist und ein neuer Wahltermin festgelegt werden muss. Diese Aussage führte zu großen Unmut und es meldete sich der Stadtrat Tim Rohne zu Wort: „Aufgrund dieser Gemengelage, und es war offensichtlich nicht klar wie die Rechtslage ist, zweifle ich den ersten Wahlgang an.“
Weitere Wortmeldungen folgten:
Stadtrat Kumpf (AfD), zweifelte das Demokratieverständis vereinzelter Fraktionen an und sprach von einer „abgekarteten Sache“, bei der der CDU das Ergebnis nicht passt. „Es war eine geregelte Wahl, hier war alles rechtens.“, erklärt Ronny Kumpf und spricht sich gegen die Anzweifelung aus. Des Weiteren wird man bei einer Wahlwiederholung, aufgrund einer erfolgreichen Anzweifelung der ersten Wahl, dagegen vorgehen.
Dennis Jannak (Die Linke): „Herr Heynemann hat vorhin das Wahlverfahren vorgelesen. Nachdem was Herr Heynemann vorgelesen hat, sind wir davon ausgegangen, dass es auch einen zweiten Wahlvorgang geben könnte und zur Not auch ein Losentscheid. Daher stehen wir an der Seite der CDU-Fraktion.“
Marcel Guderjahn (Gartenpartei): „Losentscheid brauch es hier nicht, weil wir hier nur einen Kandidaten zur Auswahl hatten. Der wurde demzufolge abgelehnt und deswegen, was Herr Jannak gesagt hat, Los oder nicht Los, spielt hier gar keine Rolle. Wir folgen der Verwaltung und die Verwaltung hat eindeutig klar gemacht, dass es keinen neuen Wahlgang gibt. Demzufolge muss ein Termin her.“
Anzweifelung und Wahlwiederholung wegen dem nicht verstanden Gesetzestext oder weil das Wahlergebnis nicht gefällt?
Nachdem der Sitzungsleiter im Stadtrat darüber abstimmen lassen möchte, ob die Wahl angezweifelt werden soll und somit die Möglichkeit für eine Wahlwiederholung geöffnet wird, meldete sich Roland Zander (Gartenpartei) zu Wort und erklärt ebenfalls, dass es eine ordentliche Wahl mit einem klaren Ergebnis war. In seiner weiteren Ausführung teilt er mit, dass er gar nicht weiß über was er denn jetzt abstimmen soll, weil er nicht versteht was genau jetzt angezweifelt werden soll und nicht glaubt, dass diese Anzweifelung der geheimen Wahl überhaupt rechtskonform ist.
Auch Tim Rohne (CDU) meldete sich nochmal zu Wort: „Es war offensichtlich und auch uns nicht klar, welche Konsequenzen ein mögliches Durchfallen Wigbert Schwenkes im ersten Wahlgang bedeutet. Ich wäre nicht umsonst aufgestanden und hätte ihn für einen zweiten Wahlgang angemeldet. Das hätte ich nicht gemacht, wenn mir das klar gewesen wäre.“ Er führte weiter aus: „Dadurch, dass das nicht klar war, wie die Abstimmung hier zu laufen hat, haben sich möglicherweise Leute einfach anders entschieden als sie sich entscheiden wollten. Das ist für mich was ganz normales. In jeder Abstimmung, selbst die Sachen die wir hier alle vorne gesehen haben, alle haben gedrückt, irgendjemand hat sich angeblich verdrückt oder das Ergebnis war nicht das was man haben wollte, da haben wir Abstimmungen wiederholt und das hier ist momentan genau das gleiche. Das ist genau das Gleiche, das wir eine Abstimmung wiederholen, weil die Rechtslage offensichtlich vorher nicht jedem eins zu eins klar war. Das haben wir hier im Stadtrat schon hundertmal gemacht.“
Anschließend erklärte der Sitzungsleiter Heynemann, dass für ihn, nach nochmaliger Vortragung des Gesetzestextes bis Satz zwei, ein zweiter Wahldurchgang logisch wäre und sich für ihn nur noch die Frage der Wahlzulassung von Schwenke offen wäre. Es meldete sich anschließend Stephan Papenbreer (Tierschutzpartei) zu Wort und bat um eine Stellungnahme vom Rechtsamt, ob Herr Schwenke bei einem zweiten Wahlgang nicht nochmal antreten darf. Er wies daraufhin, dass die Wahl bei einer rechtlichen Prüfung bestand haben muss, damit es nicht zu einem Schaden der Landeshauptstadt Magdeburg kommt. Frau Kuhle erklärte dem Stadtrat, dass Herr Schwenke heute nicht nochmal zur Wahl gestellt werden kann, weil die Rechtsprechung keinen zweiten Wahlgang vorsieht und er sich erst wieder bei einem neuen Wahltermin zu Wahl stellen kann. Das Ganze ergänzt sie mit den Worten: „Heute ist nach dem Gesetz und der Kommentierung Schluss.“
Bittersüßer Sieg für Wigbert Schwenke nach Wahlwiederholung
Nach einer weiteren Pause zitierte die Rechtsamtsleiterin Alexandra Kuhle plötzlich nicht mehr aus dem Gesetzbuch, sondern verlas: „Wird das Ergebnis der Wahl von einem Mitglied des Stadtrates angezweifelt, so ist die Abstimmung zu wiederholen.“ Auf welcher Rechtsgrundlage sich dieser Text stützt, wurde nicht erwähnt. Im weiteren Verlauf bat sie den Stadtrat über den Antrag von Herrn Rohne abzustimmen oder die Sitzung zu beenden und zeitnah einen neuen Termin zu finden. Der Sitzungsleiter fasst é darauf hin folgendes zusammen: „Gibt es einen Einspruch oder ein Anzweifeln, dann ist die Wahl wenn die Mehrheit des Stadtrates da zustimmt, zu wiederholen. Aber nur mit dem einen Kandidaten. Es gibt dann keine weiteren Kandidaten.“ Während dieser Ausgang der Pause sicherlich die CDU erfreut, erklärte Ronny Kumpf (AfD), dass sie diesen Vorgang rechtlich prüfen lassen werden.
Wie sollte es anders kommen – die Abstimmung zur Anzweifelung endete mit 37 Stimmen zu Gunsten der CDU und die Wahl des Vorsitzenden Schwenke wurde wiederholt. Neben einer Enthaltung, stimmten lediglich Stephan Papenbreer (Tierschutzpartei), die Gartenpartei und die AfD dagegen.
Gegen 15.45 Uhr haben es die Stadträte endlich geschafft einen Vorsitzenden zu wählen. Der wiederholte erste Wahlgang endete für Wigbert Schwenke (CDU) mit 5 weiteren Ja-Stimmen. Mit einer Mehrheit von 31 Ja-Stimmen, bei einer Enthaltung und 22 Gegenstimmen, ist er jetzt nach einer mehr als eine Stunde andauernden Wahl, der neue Vorsitzende des Magdeburger Stadtratvorstandes. Bei der Wahl seiner Stellvertreter wurden weiterer Wahlvorschläge von der AfD eingereicht, sodass in den beiden folgenden Wahldurchgängen jeweils zwei Stadträte zur Wahl standen. Zum ersten Stellvertreter wurde wieder Dr. Norman Belas (SPD) mit 33 Ja-Stimmen gewählt und zum zweiten Stellvertreter Stephan Bublitz (GRÜNE/future!) mit 30 Ja-Stimmen.
Nach der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden meldet sich Ronny Kumpf (AfD) nochmal zu Wort: „Das war ein trauriger Tag für die Demokratie, ein trauriger tag für die Wähler und ein beschämender Tag für Magdeburg! Das wir uns dieses von der CDU schlecht geführte Theater-Stück angucken mussten, ist ein Skandal!“ Im Weiteren führte er aus, dass die Fraktionen bereits vor einer Woche zusammensaßen und die Funktionsplätze aufteilten, bei dem es Wohl einen Zettel geben soll, auf dem der Vorsitz bereits in schwarz-rot-grün markiert wurde. Zum Ende seiner Rede rief er die Magdeburger dazu auf, die Stadt Magdeburg mit Protestbriefen einzudecken.
Vertritt uns nun ein funktionsfähiger Stadtrat oder ist die Stadt doch eher RATLOS?
Bedenkt man, dass die Stadträte als Vertreter der Magdeburger mindestens auf kommunalrechtlicher Ebene arbeiten, Anträge stellen, Projekte für die Stadtentwicklung betreuen und den Haushalt managen, könnte man eigentlich vermuten, dass sie mit Gesetzestexten und deren Verständnis umgehen können. Gut, man kann Gesetze manchmal auch unterschiedlich auslegen, aber sollte man sich vor einer Wahl nicht auch mit den dazugehörigen Wahlvorschriften und -gesetzen auseinander setzen? Für wen war diese Wahl letztendlich eine größere Niederlage? Für den aktuellen Vorsitzenden Wigbert Schwenke, der CDU-Fraktion oder dem gesamten Magdeburger Stadtrat? (WSM/scn)
Das sagen die Stadtratsfraktionen und Stadträte dazu:
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