Montag, 9. Dezember 2024
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    Nice-Pak Osterweddingen: Bindefrist abgelaufen – Betriebsrat noch am Verhandeln

    Wie uns in einem Leserbrief mitgeteilt wurde, haben die Mitarbeiter des Feuchttücherherstellers Nice-Pak in Osterweddingen heute die Information erhalten, dass sie im September 2024 ihre Kündigungen mit individuellen Kündigungsfristen erwarten können – „Um noch den Sommerurlaub genießen zu können.“ – und der Betriebsrat von einer Magdeburger Rechtsanwaltskanzlei für die weiteren Verhandlungen mit England vertreten wird. Einige der rund 125 Angestellten sind bereits seit über 15 Jahren im Werk beschäftigt und bangen aktuell um ihre Abfindungen, heißt es dort weiter:

    „Die Befürchtung, dass es keine ordentlichen Kündigungen usw. gibt und hier eines Tages die Tür einfach zu ist, sind groß. Es gibt sehr viele Mitarbeiter mit einer sehr langen Betriebszugehörigkeit und auch einem dementsprechenden Alter. Auch bei der heutigen Arbeitsmarktlage wird das mit Ende 50 wohl nicht so einfach werden etwas Neues zu bekommen. Dieses Problem sieht der Wirtschaftsminister im Übrigen unverständlicherweise nicht! Die Mitarbeiter arbeiten nach wie vor jeden Tag, geben trotz der Situation ihr Bestes und stehen mit ihren Sorgen allein da. Sie wissen gar nicht was da noch kommt oder eben auch nicht. Aktuell gehen wir davon aus, dass die restlichen Aufträge noch abgewickelt werden sollen und mit diesem zeitlichen Puffer „die Motivation und das Pflichtbewusstsein“ noch hochgehalten werden soll.“

    Doch wie sieht das jetzt rechtlich aus?

    Der Rechtsanwalt Johannes A. Menke aus Halle, gibt uns einen kleinen Einblick in das Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht: „Der Betriebsrat und die Nice-Pak verhandeln offensichtlich über einen sogenannten Interessenausgleich und einen Sozialplan. Wenn die Verhandlungen scheitern, kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen. Der Vorsitzende der Einigungsstelle wird dann erneut versuchen, eine Vereinbarung zwischen beiden Seiten zu vermitteln oder notfalls selbst durch einen Beschluss entscheiden. Im Sozialplan geht es häufig nur noch um die Höhe der Abfindung. Dabei spielen in der Regel die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten sowie die Höhe des monatlichen Bruttogehaltes eine große Rolle. Heute werden aber oft auch unter Mitwirkung der Arbeitsagentur Beschäftigungsgesellschaften vereinbart, die der Qualifizierung und Vermittlung für bzw. in ein neues Beschäftigungsverhältnis dienen.

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    Dadurch können teilweise Zeiten der Arbeitslosigkeit für die Beschäftigten vermieden werden. Der Wechsel in eine Beschäftigungsgesellschaft kann aber nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin erfolgen. Die Beschäftigten müssen dann, wenn alles gegebenenfalls im September feststeht, individuell entscheiden, welcher Weg der Beste für sie ist. Je nach den individuellen Voraussetzungen kann es durchaus Sinn machen nicht in eine Beschäftigungsgesellschaft zu wechseln. Noch ist es aber zu früh, um dazu schon etwas zu sagen. Jetzt heißt es erstmal abzuwarten. Zugleich empfehle ich auch schonmal nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau zu halten.“

    Was sagt das Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt dazu?

    Auf Nachfrage erklärt uns das Ministerium: „Dass das Unternehmen aus der heutigen Marktlage heraus den Schluss zieht, die Produktion an einen anderen Standort zu verlagern, ist eine unternehmensinterne Entscheidung. Unternehmen, nicht nur in Sachsen-Anhalt, haben mit den Herausforderungen durch steigende Energiekosten und den dadurch bedingten höheren Rohstoffkosten, die nicht immer an den Kunden weitergereicht werden können, zu kämpfen. Nach unserem Kenntnisstand steht das Unternehmen mit der Bundesagentur für Arbeit in ständigem Austausch. Wir können die Ängste und Sorgen der Mitarbeiter sehr gut verstehen. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich für die Belegschaft Übernahmeperspektiven eröffnen.“

    Bindefristen der Förderung abgelaufen – Zufall oder perfekt geplant?

    Wieso aber so kurz nach dem 20-jährigen Jubiläum – bei dem, wie uns mitgeteilt wurde, sich das Unternehmen neben Catering und Co für seine bisherigen Leistungen feiern ließ – im Mai 2024? Von Schließung war aus Arbeitnehmersicht zu diesem Zeitpunkt scheinbar nichts zu spüren. Auf die Frage zu dem Fördermittelprogramm, bekamen wir vom Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt folgende Antwort: „Insgesamt lässt sich sagen, dass die GRW-Förderung ein sinnvolles Förderinstrument ist, um Unternehmen bei Investitionsmaßnahmen finanziell zu unterstützen. Dies hat in den letzten dreißig Jahren auch viel Positives in Sachsen-Anhalt bewirkt. Zu den Verpflichtungen gemäß GRW gehört zum Beispiel, eine definierte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen und/oder zu erhalten. Für die Nice-Pak Deutschland GmbH sind die Bindefristen der Förderung abgelaufen.“

    Welche Hoffnungen setzt man in das geförderte Ansiedlungsprojekt mit Intel?

    Hierzu erklärt uns das Ministerium: „Die Standortentscheidung von INTEL ist für das Land Sachsen-Anhalt eine große Chance. Wir gehen davon aus, dass durch die Ansiedlung von INTEL dauerhaft Arbeitsplätze in der Region gesichert werden.“

    Unsere Nachfrage vom 05.07.2024 beim zuständigen Bürgermeister der Gemeinde Sülzetal, Herr Jörg-Uwe Methner (SPD), blieb bisher unbeantwortet. Warten wir also ab, wie es mit den Mitarbeitern der Nice-Pak Deutschland GmbH weitergeht und hoffen darauf, dass den künftigen Mitarbeitern von Intel nicht das gleiche Schicksal droht. Gerne können sich Betroffene bei uns telefonisch und per E-Mail melden oder die Kommentarfunktion unter dem Beitrag nutzen. (WSM/scn)

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