Auch die Magdeburger Stadtratsfraktion GRÜNE/future! hat sich heute zu der ersten Stadtratssitzung vom 08.07.2024 geäußert und unsere Nachfragen beantwortet. Wie interpretieren sie diese Sitzung und die Wahl des Vorsitzenden Stadtrat Wigbert Schwenke?
Auf die Frage ob der Fraktion GRÜNE/future! der bevorstehende Wahlvorgang und die dazugehörige Gesetzgebung bekannt und verständlich war, antwortete uns die Fraktionsgeschäftsführerin Eva-Maria Schulz-Satzky: „Der Wahlvorgang war natürlich bekannt. Allerdings hatten wir uns nicht mit der Frage befasst, wie die Sitzung weitergehen würde, wenn der einzige Kandidat, gestellt von der größten Fraktion, überraschend nicht gewählt würde. Wir haben ihn gewählt und sahen das – ohne Gegenkandidaten – als konsensfähig im Stadtrat. Dass dies einen Abbruch der Sitzung zur Folge hätte, war nicht bewusst. Die Wahlregeln gelten generell, zum Beispiel auch bei Beigeordnetenwahlen. Die speziellen Komplikationen in einer konstituierenden Sitzung waren scheinbar niemandem bewusst. Auch das Rechtsamt erarbeitete sich seine korrekte Position erst bei Auftreten des Problems. Wir halten eine Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes für sinnvoll. Eine schlichte, in einer Demokratie ja mögliche Nichtwahl, kann nicht zu einer solchen Konsequenz führen.“
Zu der Anzweifelung der CDU/FDP Fraktion ergänzt sie: „Die Annahme, man könne eine Wahl per Anzweiflung wie mit einem Reset auf Anfang setzen, ist fernliegend. In der speziellen Situation war es aber eine Möglichkeit, die Sitzung überhaupt zum geordneten Abschluss zu bringen. Wir haben das daher mitgetragen. Der Stadtrat war so in der Lage zu klären, ob er das tatsächlich so will. Arbeitsfähigkeit war damit erreichbar, das unwürdige Schauspiel konnte per demokratischer Entscheidung zum Abschluss gebracht werden. Natürlich folgt dann eine rechtliche Prüfung durch das Rechtsamt und die Kommunalaufsicht. Eine erneute Notwendigkeit der Wahl erscheint uns denkbar.“
Verständnis für die Wahlwiederholung oder wollte der Stadtrat nur in die wohlverdienten Ferien starten?
„In der verfahrenen Situation erscheint die Option als die am wenigsten schlechte. Ein Vorschlag unsererseits, die Sitzung mit der Wahl der Stellvertreter fortzuführen und die Wahl des Vorsitzenden erst in der nächsten Sitzung durchzuführen, wurde vom Rechtsamt als nicht gangbar eingeschätzt. Mit „Ferien genießen“ hat das nichts zu tun. Das ist ein ehrenamtliches Gremium. Die Kollegen haben bei ihren Arbeitgebern Urlaub eingereicht, den mit ihren Familien gebucht. Ob man in den Ferien den Stadtrat in ordentlicher Form zusammen bekommt, ist zumindest schwierig. Denkbar wäre eine Sitzung am nächsten Tag, ohne Einhaltung der Ladungsfrist gewesen – soweit niemand widerspricht. Die Rechtssicherheit schätzen wir als schlecht ein. Möglicherweise muss nochmals neu gewählt werden.“, erklärt Frau Schulz-Satzky und ergänzt:
„Der Stadtrat hat eine neue Mehrheit. Es zeigt sich aber, dass dort in erheblichem Umfang destruktiv agiert wird. Das überraschende Scheitern des Kandidaten der größten Fraktion, der wohl bewusst ohne Gegenkandidaten blieb, ist nur damit zu erklären, dass wohl auch Teile der CDU gegen ihren Kandidaten stimmten. Der „spontane“, aber rechtswidrige Vorschlag von Stadtrat Zander (Gartenpartei) nach dem Scheitern Schwenkes, nun Stadtrat Rupsch (CDU) zu wählen, wirkte sehr nach einer Absprache. Hintergrund ist eine aufsehenerregende, öffentlich gewordene Email Stadtrat Rupschs an andere Fraktionen, dass innerhalb der CDU eigentlich ihm die Position angetragen worden sei. Außerdem stimmte die AfD geschlossen gegen Schwenke. Das ist insofern bemerkenswert, als sie selbst in Anspruch nimmt, man hätte sie als zweitstärkste Fraktion wählen müssen. Für die stärkste Fraktion sieht man es dann doch anders. In der Konsequenz entsteht der Eindruck, dass diese drei (Teile der CDU, AfD und Gartenpartei) Schwenke scheitern lassen wollten, bewusst keinen Gegenkandidaten aufstellten, aber Annahmen, es würde eine weitere Wahl geben, zu der dann Stadtrat Rupsch als neuer Kandidat antreten sollte.“
Wie steht es mit der künftige Zusammenarbeit im Stadtrat, sind Konflikte vorprogrammiert?
„Die Zusammenarbeit ist weniger eine Frage des Vorsitzenden. Wigbert Schwenke ist erfahren und sicher gut in der Lage die Sitzungen sachlich und neutral zu führen. Eine Mehrheit hatte er letztlich auch. Sorge bereitet die offene Destruktivität in Teilen des Rats. Wohl um eher persönliche Konflikte auszutragen, wurde der Rat in chaotische Verhältnisse gestürzt. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Beteiligten sich in die Sacharbeit einbringen. Der jetzige Start lässt schlimmes vermuten.
Was sagt die Fraktion zu den Worten von Herrn Rohne (CDU), bezüglich Wiederholungsabstimmungen bei nicht gewünschten Ergebnissen und wie steht es um das Demokratieverständnis im Stadtrat?
„Das Verfahren zur „Anzweiflung“ ist in der Geschäftsordnung verankert. Es gilt für Abstimmungen und ist eigentlich für Abstimmungen per Hand vorgesehen, wo häufiger bei der Auszählung Ungenauigkeiten entstanden. Die Anwendung auf Wahlen ist schwierig. Dass die Unklarheit bei den Wählern, dass z.B. ihre Enthaltung zum ergebnislosem Abbruch der Sitzung führen kann, einen Fehler im Wahlverfahren darstellt, erscheint eher fernliegend. Das Problem ist weniger die, allerdings wirklich unschöne, zweite Wahl. Der Stadtrat war so in der Lage selbstbestimmt die „Verfassungskrise“ der fehlenden Konstituierung aufzulösen. Der Weg wurde auch von einer breiten Mehrheit von CDU bis Linke mitgetragen. Das Problem ist die bedenkenlose Bereitschaft im Dreieck aus AfD, Gartenpartei und Teilen der CDU, die Stadt in so eine chaotische Situation zu stürzen.“, berichtet die Fraktionsgeschäftsführerin Schulz-Satzky.
Bleibt also abzuwarten, wie es im Stadtrat weiter geht. Wird die Wahl des Vorsitzenden Schwenke als ungültig erklärt? Wer ist für dieses Desaster verantwortlich, wenn der Vorsitzende laut Aussage der Fraktion GRÜNE/future! noch nicht einmal die eigenen Parteimitglieder aus der großen CDU/FDP Fraktion hinter sich hat? Es bleibt spannend im Stadtrat Magdeburg! (WSM/scn)
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